Der Mann an der Kasse zum Wasserfall wartet eine Antwort erst gar nicht ab. „German!?“, stellt er mehr fest als zu fragen - und überreicht das zum Eintrittsgeld zugehörige Informationsblatt. Entweder ist mein Englisch tatsächlich so schlecht, dass „One ticket, please“ allein schon zur Bestimmung der Herkunft ausreicht - oder es gibt einen anderen Grund. Jedenfalls ist es ein sonderbarer "Wetten dass....Moment" - und die nächsten Meter male ich mir aus, wie mein Onkel aus Kenia oder vielmehr seine im Brandenburgischen geborenen Kinder den Kassierer mit ihrer Antwort wohl aus dem Konzept bringen würden.
Touristen werden ungern als solche erkannt. Touristen mögen auch keine Touristen. Und am wenigsten mögen Touristen Touristen aus Deutschland, wenn sie selbst Touristen aus Deutschland sind. Man geht sich möglichst aus dem Weg - und wenn das nicht geht, etwa auf einem Wanderweg, nuschelt man betont nebenbei ein - in diesem Fall - slowenisches "Dan" (Abkürzung von dóber dan = guten Tag) den Entgegenkommenden entgegen in der Hoffnung, die anderen würden so tatsächlich glauben, man sei ein Einheimischer.
Die Intendantin von der „Deutschen Bühne“ im ungarischen Szekszárd nannte auf die Frage, was ihr Haus möglicherweise von anderen Minderheitentheatern unterscheidet, die Disziplin, aus ihrem Mund klang es wie ein Kompliment. Im slowakischen Medsev tanzen 20-Jährige mit einer Hingabe nach deutscher Volksmusik, wie es für zumindest Gleichaltrige in Deutschland kaum vorstellbar wäre. Und in Tschechien kümmert sich ein Tscheche um das Erbe der deutschen Minderheit. Und während man selbst durch die eigene Identität eiert und sie, immer wieder peinlich berührt, auch verleugnet und versteckt, scheint der Rest der Welt mit anderen Augen auf Deutschland zu blicken.
Es sei nicht ausschließlich der Dialekt, erklärte übrigens später der Kassierer auf meine Frage, was ihn hat die Herkunft so schnell erraten lassen. Es sei so mehr das Ganze, meinte er und machte eine kreisende Handbewegung vor dem Gesicht. Nach acht Jahren hinter dem Ticket-Tresen habe er einen Blick dafür entwickelt. Die Polen und Russen etwa würden Glitzerturnschuhe tragen, auch in den Bergen, Amerikaner zu enge Spaghetti-Shirts über zu großen Busen. Niederländer seien an Blümchenshirts und den etwas zu langen grauen Haare zu erkennen. Und der Deutsche? Kauft sich, wenn er lässig sein will, eine Dose Bier und geht damit spazieren. Das hat er so jetzt nicht gesagt, aber seine Art verriet es, als er mit dieser kreisenden wissenden Handbewegung an mir herunter schaute auf die ordnungsgemäßen Wanderschuhe. Die praktische Bauchtasche, die praktische Outdoorhose, das graue Shirt, darüber Kamera - und die Wanderkarte, Wanderstöcke und den Kompass in der Hand.
One Ticket, please. Und sank you for träveling mit der Deutschen Bahn.