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Vogelperspektive

Seit dem Beginn der Reise kreuzt die Donau immer wieder meinen Weg: Slowakei. Ungarn. Kroatien. An keiner Stelle aber ist sie schöner als hier, hier in Serbien, an der Djerdapska klisura, der längsten Schlucht Europas. Die Donau hat hier eine Schneise in die Karpaten geschlagen und ein atemberaubend schönes Panorama hinterlassen. "Es ist herrlich, am Ufer zu stehen", sagt Svetomir Tekelerović aus Tekija und zitiert damit einen römischen Gelehrten. "Alle von uns kennen dieses Gefühl. Und alle anderen werden es nur erleben, wenn sie an die Ufer kommen." Svetomir weiß, wovon er spricht. Er ist hier aufgewachsen; er hat hier seine Kindheit, seine Jugend verbracht, er ist mit der Donau verwoben, ihr Puls schlägt in seinen Adern - und jetzt mit der Rente hat er sich ein kleines Boot gemietet, mit etwas Glück nimmt er einen mit auf seine Reise und teilt sein Herz. 

Die Donau ist auch das Herzstück in der Geschichte der Donauschwaben; mit ihren hölzernen Einwegbooten hatten sich die ersten im 17. Jahrhundert auf den Weg gemacht; tausende Kilometer auf dem Wasser, nicht wissend, was kommt; nur hoffend. In Serbien sind ihre Spuren allenfalls noch zu erahnen, die Gründe sind hier mehrfach beschrieben; das Land hat andere Sorgen. Eine junge schwierige Geschichte lastet auf allem, geprägt von Krieg, Hass, Verletzungen und Enttäuschungen, und wenn das Verhältnis zu den Nachbarn nach dem Flächenbrand auf dem Balkan in den 1990er Jahren mit insgesamt 130 000 Toten noch immer schwierig ist, gibt es dafür auf allen Seiten viele Ursachen. Und so kann es passieren, dass man in einer Woche im kroatischen Osijek auf einen Kaffee mit Nada sitzt; Nada, übersetzt - die Hoffnung; - und sie davon erzählt, wie sie während des Krieges sechs Monate ängstlich im Keller verharrte, darauf wartend, dass das Böse endlich endet; kein Stein ihres Hauses war damals auf dem anderen geblieben. Und es kann passieren, dass man nur wenige Momente später auf serbischer Seite die Abende teilt mit mehreren Gläsern Wein und einem Arzt, der als Angestellter der serbischen Armee genau dort eben seinen Einsatz hatte. Oder dass man, wie in Apatin ein Graffiti von Ratko Mladić passiert, einen wegen Völkermord verurteilten Kriegsverbrecher, den man hier zum Teil wie einen Helden verehrt. Und wieder einmal wird man nicht schlau aus dieser Welt, in der einerseits so viel berührende Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft existiert, andererseits kaum Platz ist für Versöhnung. Zu groß der Wunsch nach Macht und Vergeltung. Zu wichtig Abstammung und Religion. Und wenn dann noch eine Politik hinzu kommt, die sich den Partner nach Windlage sucht;  ein Europa, das viel verspricht, ohne sich daran zu halten; Hochmut im Westen, Verletzungen im Osten, dazu wirtschaftliche Abhängigkeiten, macht es das nicht eben besser. 

Auf die Nato ist man in Serbien nach den Bomben auf Belgrad  bis heute nicht gut zu sprechen. Und nach den leeren Versprechungen zu Beitrittsverhandlungen mit der EU ist man hier zum großen Teil an einem Beitritt auch kaum noch interessiert.  

"Es ist egal", sagt Dragan aus Kladovo.  
"Ohne das Gas aus Russland wird die Stadt untergehen. Die Winter hier sind sehr kalt, bis zu minus 40 Grad. Die Leute, die kein Geld haben und kein Holz kaufen können, werden frieren", sagt Boris aus Apatin.
"He is not a good guy", sagt der junge Mann auf der Straße in Zapadna-Backa, als man ihn nach dem Bild des Präsidenten auf dem Plakat fragt. 

Von oben betrachtet ist Serbien ein wunderbares Land: Mit der fruchtbaren Vojvodina. Den Bergbächen. Schluchten. Der Donau. Der Drina. Eisernes Tor. Mittelalterliche Klöster und Kirchen. Wunderbarer Wein. Alles könnte gut sein. Könnte.

Von oben betrachtet.

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Momente