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Should I stay or should I go?

Wann ist der richtige Moment der Kapitulation? Ab wann sollte man aufgeben, sich in sein Schicksal fügen? Seit Montag gefühlt hunderte Anrufe bei der DHL. Hunderte Ausflüchte. Hunderte Versprechen. Morgen. Morgen. Nur nicht heute. Hamburg. London. Jetzt liegt der Pass in Tbilisi am Airport - vielleicht. Jeder Mitarbeiter erzählt etwas anderes, die Trackingliste erzählt etwas anderes. Mit dem Rücken zur Wand, hilflos ausgeliefert zu sein, das sind mit die unangenehmsten Situationen. Ein kaputtes Auto kann man reparieren lassen. Man fährt in eine Werkstatt. Man handelt. Aktion. Reaktion.

Bei der Vorbereitung der Reise hatte ich geglaubt, alles Wichtige bedacht zu haben. Impfungen gegen Tollwut. Ersatzteile für den alten Volvo. Ein Zelt für die schönen Plätze. Ein Wasserkocher für die Hotels. Am Ende waren die Ersatzteile die falschen und der in Deutschland ausgemalte worst case ist eingetreten: Kupplung kaputt. Nur, unterwegs stellte sich heraus: Alles halb so wild. Und man lernte: Es ist unmöglich, sich gegen alles abzusichern.

Should I stay or should I go? Mit jedem weiteren Tag wird der Spielraum kleiner, die Zeit knapper. Wann ist der richtige Moment zu gehen? Der Pass liegt vielleicht nur ein paar Autominuten entfernt. Die russische Grenze ist nur einen Tag entfernt. Umdrehen? Jetzt? Um unterwegs den so lang ersehnten Anruf zu erhalten?

Es gab schon bessere Tage auf dieser Reise.

 

Update: 
Der Reisepass ist angekommen. Nach zehn Tagen statt 48 Stunden. Inzwischen kenn ich jeden bei der DHL. Was für ein Chaos. Bei denen und in mir.

Update 2.
Ankunft in Russland. Über den Großen Kaukasus von Tbilisi nach Wladikawkas. Die Heerstraße verbindet traditionell Georgien und Russland miteinander, der 213 Kilometer lange Weg führt durch atemberaubend schöne Landschaft. Zugleich ist die Heerstraße ein Nadelöhr. Georgien beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland, so bleibt die Heerstraße der einzige Zugang, Hunderte Lastwagen stauen sich auf dem Weg zur Grenze. Ich selbst darf nach einigen Irritationen relativ problemlos passieren. Am Ende helfen die Grenzer beim Ausfüllen eines dreiseitigen Formulars. "Where are you from", fragt jemand in Uniform, lächelt bei der Antwort, sagt. "Good luck" - was immer es bedeutet. Den nach offiziellen Angaben benötigten PCR-Test will niemand sehen, auch nicht das Innere des Autos. Zimmer wird mit Apple-Pay bezahlt, auf den ganzen Stress eine Fanta - vielleicht sind es ja Restbestände. Simkarte (30 Gigabyte, 3,30 Euro) kann ich nach dem zweiten Anlauf erstehen, im ersten Shop hieß es, der Verkauf sei nur an Russen gestattet. Internet funktioniert: Spiegel.online, FAZ, Zeit, New York Times, ARD live - kein Problem. Bild.de sonderbarerweise nicht - ist zu verschmerzen. Facebook und Instagram nur über VPN. Safari spinnt. Firefox übernimmt.